EEG-Novelle und urbane Energiewende

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) wurde kurz vor Weihnachten novelliert und ist Anfang 2021 in Kraft getreten. Aus dem Blickwinkel der urbanen Energiewende in Berlin werfen wir einen kritischen Blick auf das Ergebnis.



Die Ausgangssituation

Ballungszentren und Metropolen haben einen hohen Energieverbrauch, hinken bisher bei der Energiewende gegenüber ländlichen Regionen jedoch stark hinterher. Der Blick auf die urbane Energiewende fokussiert sich vor allem auf Photovoltaik. Wegen der besonderen Rahmenbedingungen des dicht bebauten und besiedelten Raumes spielen andere Technologien eine untergeordnete Rolle.

Das Land Berlin hat vor diesem Hintergrund den Masterplan Solarcity gestartet, um bis 2050 den eigenen Strombedarf zu 25% mittels Photovoltaik auf den Berliner Dächern zu produzieren. Um Klimaneutralität zu erreichen, ist dieses Ziel für Berlin ein Kernpfeiler.

Wir betrachten deshalb ausgewählte Ergebnisse der EEG-Novelle und bewerten diese mit Forderungen unserer Veranstaltung vom Februar 2020: Urbane Energiewende – Hoffnungsträger Photovoltaik.



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Mieterstrom

Mieterstrom ist ein Fachbegriff des EEG und soll Menschen in Mehrfamilienhäusern ermöglichen auf dem Dach produzierten Sonnenstrom selbst verbrauchen zu können.
Die besonderen Anforderungen zur Umsetzung dieses Modells und die Absenkung der Mieterstromförderung auf Null im Jahr 2020 hatten ein bereits enges wirtschaftliches Korsett weiter zugeschnürt. Im Resultat blieb Mieterstrom weiterhin ein Ladenhüter.

Die EEG-Novelle reaktiviert den Mieterstromzuschlag mit bis zu 3,79 Cent je kWh bei Kleinstanlagen bis 10 kWp und erweitert den Korridor förderfähiger Anlagen deutlich über die bisherige Grenze von 100 kWp hinaus. Letzteres vereinfacht vor allem Lösungen in Quartieren und großen Wohnanlagen.

Diese Anpassungen sind begrüßenswert und lockern das Korsett für die Umsetzung. Das war dringend notwendig und ist als Erfolg zu werten. Dennoch bleibt EEG-Mieterstrom eine viel zu komplizierte Konstruktion für die Umsetzung von Eigenverbrauchsmodellen im urbanen Raum. Für den notwendigen zügigen Ausbau ist notwendig, dass

  • rein bilanzielle Abrechnungsmodelle ermöglicht werden. Vor allem im Gebäudebestand sind die aktuell nötigen Messkonzepte die größte Umsetzungshürde.
  • Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften etabliert werden gemäß der Erneuerbaren-Richtlinie (Red II) der EU.
  • Eigenverbrauchsmodelle auf Gewerbekontexte ausgedehnt werden.

 


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Umlagenfreier Eigenverbrauch

Erleichterungen gibt es beim solaren Eigenverbrauch – bis zu einer Größe von 30 kWp ist dieser vollständig von der EEG-Umlage befreit. Für Berlin ist das Segment bis 30 kWp besonders wichtig, denn zu diesem gehört ein wesentlicher Teil des Solarpotentials der Stadt. Die Umlagebefreiung liefert somit dringend nötige Impulse.
Bisher mussten schon ab 10 kWp vierzig Prozent EEG-Umlage auf selbst produzierten Sonnenstrom abgeführt werden. EigenheimbesitzerInnen dürfte dies zukünftig wieder stärker motivieren eigene Dachflächen vollständig auszunutzen.
Diese Regelung wird sowohl für bestehende als auch neue Photovoltaik-Anlagen ab diesem Jahr gelten. Die Bundesregierung setzt damit eine Forderung aus der Erneuerbaren-Richtlinie (RED II) der EU um. Offen bleibt jedoch:

  • Die Befreiung gilt nicht für kollektiven Eigenverbrauch. So muss z.B. im Mieterstrommodell weiterhin die volle EEG-Umlage auch auf vor Ort produzierte Energiemengen abführt werden.
  • Eigenverbrauch liegt nur dann vor, wenn der Betrieb der PV-Anlage und der Letztverbrauch der Energie durch die gleiche Partei erfolgt. Gerade im gewerblichen Kontext bestehen hier in der Praxis oft Abgrenzungsschwierigkeiten, die weiterhin ungelöst sind.


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Nicht intelligent, misst aber auch

Intelligente Messsysteme

Anders als im Kabinettsentwurf ursprünglich geplant, müssen Anlagenbesitzer weiterhin ab einer Anlagenleistung von 7 kWp ein iMSys (intelligentes Messystems) einbauen. Der zwischenzeitlich diskutierte verpflichtende Einbau ab 1 kWp hätte das Segment der Kleinstanlagen wirtschaftlich ab absurdum geführt oder zusätzliche Förderungen notwendig gemacht.

Eine gute Regelung wurde außerdem geschaffen für PV-Anlagen, die ab dem 01.01.2021 aus der EEG-Förderung gefallen sind – sogenannte Ü20 oder Altanlagen. Für diese besteht keine verpflichtende Nachrüstung eines iMSys, was Perspektiven für den Weiterbetrieb bietet.

Intelligente Messsysteme sollen es u.a. den Netzbetreibern ermöglichen bei Kapazitätsengpässen basierend auf aktuellen Messdaten eine stufenlose Regelung der Energieproduktion vorzunehmen. Für PV-Anlagen bis 25 kWp sieht auch das novellierte EEG vorerst weiterhin die Möglichkeit der sogenannten 70%-Regelung vor.




Die BürgerEnergie Berlin setzt selbst PV-Mieterstrom um und bietet mit dem gemeinschaftlichen Selbstbau für Eigenheime und Balkon-Modulen weitere Umsetzungsmöglichkeiten.
Wer mit uns gemeinsam eigenen Sonnenstrom produzieren will, ist herzlich Willkommen:





Halb voll und doch halb leer

Gemessen an den Ergebnissen der letzten Novellierungen bringt das neue EEG tatsächlich zählbare Verbesserungen.
Aus klimapolitischer Perspektive bleibt dennoch eine Lücke. Mit der Erneuerbaren-Richtlinie der EU liegt seit langem ein  ambitionierter Handlungsrahmen vor, der leider nur in Ansätzen augegriffen wurde und nun bis Mitte 2021 durch die Bundesregierung vollständig in nationales Recht überführt werden muss. Hier wurde die Chance vertan noch vor der heißen Phase des Bundestagswahlkampfes ein Gesamtkonzept auf den Weg zu bringen.