Stromnetz: Vattenfall blockiert weiterhin

Das Kammergericht Berlin stellt mehrere Fehler bei der Konzessionsvergabe fest und kippt deshalb die Vergabe des Stromnetzes an den Landesbetrieb Berlin Energie. Die Rekommunalisierung und direkte Bürgerbeteiligung am Stromnetz sind deshalb blockiert.



Vattenfall kann blockieren, aber nicht grundsätzlich verhindern

Am 24.09.2020 hat das Kammergericht Berlin in der Berufung über die Vergabe der Stromnetzkonzession geurteilt. Vorangegangen war bereits die erstinstanzliche Bewertung durch das Landgericht Berlin Ende 2019. Zu den juristischen Überprüfungen kam es, weil Vattenfall die Rekommunalisierung gerügt hatte und anschließend vor Gericht zog.

Das Kammergericht bestätigte einige Rügen des Konzerns, die sich auf einzelne Kriterien des etwa 600-seitigen Auswertungsgutachtens bezogen. In diesem wird begründet, wie die abgegebenen Angebote der Bieter bewertet wurden.
Darüber hinaus sieht das Gericht einen Transparenzverstoß als gegeben an, weil Vattenfall neben dem Auswertungsgutachten ebenfalls Einsicht in das Angebot des Landesbetriebes Berlin Energie hätte gegeben werden müssen.

Im Ergebnis darf die Vergabe vom März 2019 nicht umgesetzt werden. Vattenfall hat damit jedoch nur ein Teilziel erreicht: Eigentlich sollte das Angebot des Landesbetriebes Berlin Energie mangels energiewirtschaftlicher Eignung aus dem Verfahren genommen und der gesamte Vergabeprozess der letzten neun Jahre wegen Neutralitätsverstößen diskreditiert werden. Entgegen der ersten Instanz hat das Kammergericht diese Rügen jedoch abgewiesen.




Wir streiten weiter für ein Netz in Bürgerhand!

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Die nächsten Schritte

In den kommenden Wochen wird das Gericht das Urteil schriftlich begründen. Auf dieser Grundlage kann die Vergabestelle des Landes Berlin die abgegebenen Angebote unter Berücksichtigung der angezeigten Fehler neu bewerten und eine neue Vergabeentscheidung verkünden.

Die BürgerEnergie Berlin hofft, dass der Landesbetrieb Berlin Energie erneut den Zuschlag erhält. Damit wäre abermals die Rekommunalisierung eingeleitet und der Berliner Senat kann sein Versprechen im Koalitionsvertrag umsetzen: Die direkte Bürgerbeteiligung durch eine Genossenschaft.
Mit einer neuen Vergabeentscheidung rechnen wir nicht vor Ende 2020/ Anfang 2021. Gegen die neue Vergabeentscheidung sind ebenfalls Rügen der unterlegenen Bieter möglich.





Hintergrundinformationen

Seit 2012 wird in einem öffentlichen Vergabeverfahren ein neuer Betreiber für das Berliner Stromnetz gesucht. Die BürgerEnergie Berlin (BEB) will sich wirtschaftlich am zukünftigen Netzbetrieb durch das Land Berlin beteiligen. So will die BEB Teilhabe und Mitbestimmung im Bereich der Daseinsvorsorge ermöglichen. Darüber hinaus sollen die Überschüsse aus dem Netzbetrieb in die urbane Energiewende für mehr Klimaschutz in der Stadt investiert werden.

Nachdem der alte Konzessionsvertrag bereits 2014 abgelaufen ist, betreibt der Energiekonzern Vattenfall weiterhin das Netz und streicht die jährlichen Millionengewinne ein. Wegen zahlreicher Verzögerungen – nicht zuletzt juristischer Überprüfungen durch Vattenfall – wurde erst im März 2019 eine Vergabeentscheidung zugunsten des Landesbetriebes Berlin Energie verkündet. Die BürgerEnergie Berlin begrüßte diese Vergabeentscheidung ausdrücklich, weil sie den Weg ebnete für das eigene Ziel der Beteiligung am Netz.

Die aktuelle Rot-Rot-Grüne Landesregierung von Berlin bekennt sich in Ihrem Koalitionsvertrag klar zum Ziel der Rekommunalisierung und einer direkten Bürgerbeteiligung durch eine Genossenschaft. Sie orientiert sich damit an dem Ergebnis einer fraktionsübergreifenden Enquette-Kommission aus dem Jahr 2015. Für eine erfolgreiche Energiewende in der Stadt empfahl diese den Netzbetrieb durch das Land und eine direkte Beteiligung der Bürger*innen.